Nährstoff-Timing

Über die letzten Jahrzehnte wurde das Thema „Nährstoff-Timing“ kontrovers diskutiert. Nährstoff-Timing impliziert eine bestimmte Nährstoffgruppe (z.B. Kohlenhydrate oder Proteine), in einer bestimmten Menge, zu einer bestimmten Zeit aufzunehmen.

Aufgrund der aktuellen Studienlage kann man vorwegnehmen: Nährstoff-Timing scheint nicht so wichtig zu sein für die meisten Menschen, die sich insgesamt besser fühlen und besser aussehen wollen. Im Folgenden starte ich einen Versuch, ein wenig Licht hinter diese vorweggenommene Schlussfolgerung zu bringen.

Das anabole Fenster nach dem Workout

Einige Studien berichten von einer verbesserten Proteinbiosynthese und Regeneration bei Nahrungsaufnahme direkt im Anschluss an ein hochintensives Workout (z.B. nach Sprints oder Hypertrophietraining). Hier sprechen wir von einer Nahrungsaufnahme innerhalb von 30-45 min. nach dem Workout, optimalerweise in Form von schnellverdaulichen Shakes. Hier soll der Körper besonders leicht Nährstoffe verarbeiten/absorbieren können. Die Muskulatur hat einen großen Bedarf an Glukose, die entweder direkt oxidiert wird oder als Glykogen gespeichert wird. Zudem könnten Proteine leichter für die Proteinsynthese (Muskelaufbau) genutzt werden.

Diese Annahme kann nicht sicher bestätigt werden, da die Studien nur die kurzzeitigen Effekte untersucht haben, sprich die Stunden direkt nach der Nahrungsaufnahme, nicht aber z.B. was nach 3 Monaten passiert. Insgesamt scheint es, abgesehen von einigen Athleten, absolut ausreichend innerhalb von 1-2h vor oder nach dem Training Kohlenhydrate und Proteine aufzunehmen, um das anabole Fenster zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Daten aus kürzlich veröffentlichen Studien suggerieren sogar, dass die Gesamtaufnahme an Proteinen und Kohlenhydrate über den Tag verteilt, wichtiger ist für die Körperkomposition und Performance als Strategien des Nährstoff-Timings.

Das heißt aber selbstverständlich nicht, dass man solche Strategien nicht individuell ausprobieren soll/darf.  Mit Sicherheit kann man allerdings festhalten, dass (zunächst) fundamentalere Dinge bei nachhaltig gesunder Ernährung zu beachten sind – dazu später mehr!

Frühstück- ja oder nein?

Eine weitere Frage, die die Fitnesswelt seit Längerem umtreibt, richtet sich auf die erste Mahlzeit am Tag. Jahrelang erklärten Ernährungsexperten das Frühstück zur wichtigsten Mahlzeit des Tages. Mittlerweile gibt es eine breite „Opposition“ gegen des Frühstücks. Wer hat also recht?

Eine kürzlich durchgeführte Studie stellte die Frage, ob es einen Unterschied macht, die Hälfte der Kalorien zum Frühstück zu essen oder zum Abendessen. In dem Zusammenhang wurden Körpergewicht, Taillenumfang, Appetit und Blutzucker sowie Insulinsensitivität untersucht. Alle Frühstücker hatten anschließend bessere Werte als die Abendesser.

Die Sache scheint also klar, oder? Falsch! Eine andere Studie fand heraus, dass Abendesser besser in der Lage seien Muskelmasse aufrechtzuerhalten und die gleiche Menge an Fettverlust hatten wie die Frühstücksgruppe. Zudem kam eine weitere Studie kürzlich zu der Erkenntnis, dass die Teilnehmer, die ihre Kohlenhydrate vermehrt abends aßen, nach 6 Monaten mehr Gewicht, Fett und Taillenumfang reduzieren konnten als alle anderen Studienteilnehmer.

Was bedeuten diese Ergebnisse? Ganz einfach: wir sind alle einzigartig! Folge deiner Evidenz und tracke deine eigene Erfahrung. Tue das, was – messbar – für dich funktioniert! Das wichtigste ist, dass du konsistent gute Entscheidungen triffst auf Basis dessen, was für dich funktioniert.

Heißt das nun, dass Nährstoff-Timing überhaupt keinen Sinn macht? Nein. Für bestimmte Personengruppen ist es absolut legitim darüber nachzudenken. Bodybuilder oder Ausdauerathleten können selbstverständlich von einer Timing-Strategie profitieren.

Für einen übergewichtigen Homeoffice-Arbeiter, der gerade mit Training startet und seine Ernährung ein wenig verbessern möchte, sollte dies nicht Priorität haben. Hier sollten zunächst andere Fragen gestellt werden wie:

  1. Wie viel isst du?
  2. Wie isst du? Langsam und achtsam?
  3. Warum isst du? Aus Hunger oder aufgrund von Stress oder Gruppenzwang?
  4. Was isst du? Empfehlung: wenig verarbeitete Produkte, Gemüse, Obst, gesunde Fette, gesunde stärkehaltige Produkte.
  5. Bist du in der Lage #1 -#4 täglich und konsistent auszuüben?

…erst dann solltest du darüber nachdenken, WANN du isst.

 

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